Samstag, 21. März 2015

Am längeren Hebel...

Bei der fünfsaitigen Kantele kann man leicht von D-Dur zur D-Moll-Stimmung wechseln (und umgekehrt), indem man einfach die mittlere Saite von f# nach f umstimmt.
Geübte Spieler können dieses Umstimmen in wenigen Sekunden erledigen. Aber wenn Lied auf Lied folgt, ist selbst diese kleine Zwangspause vielleicht doch immer noch ein wenig lästig.

Schneller geht das mit einem kleinen Schalthebel, wie ihn z.B. Lovikka und Koistinen gegen Aufpreis für manche ihrer Modelle anbieten.

Lovikka-Umschalter mit Hebel, Anschlag und Umlenkstift.
Eigenes Foto 2015.

In dieser Vorrichtung steckt einiges an Know-How. Und ich muss zugeben: es funktioniert besser, als ich dachte. Die Exzenter-Scheibe drückt die Saite bei Dur-Stellung tatsächlich nur minimal nach außen - und laut Stimmgerät liegt zwischen beiden Schalterstellungen exakt ein Halbtonschritt.

Bei 10- und 11-saitigen Kantelen benötigt man für die Umstellung von D-Dur nach D-Moll allerdings schon 4 bis 5 Hebel. Je nach Hersteller kostet das 45 bis 50 Euro Aufpreis - pro Hebel, wohlgemerkt. Da muss man dann schon rechnen, ob es nicht günstiger ist, zwei hebellose Instrumente anzuschaffen - je eins für Moll und eins für Dur.
Text und Bilder: Peter Widenmeyer, 2015.

Tradition und Moderne

Einige Serienhersteller gliedern ihr Angebot an kleinen Kantelen, indem sie sie hinsichtlich ihrer Form als "modern" oder "traditionell" deklarieren. Doch was ist damit gemeint?

Von links nach rechts: Lovikka traditionell, Lovikka modern,
Melodia Soitin traditionell, Melodia Soitin modern. Eigenes Foto 2015.

Wie man auf dem Bild sehen kann, verfügen die gezeigten (und z.B. auch die "Wing"-Modelle von Koistinen) "modernen" Modelle an der Kopfseite über einen kleinen, abgerundeten "Flügel". Damit erinnern diese modernen Instrumente an die baltische Verwandtschaft, zum Beispiel an die im Osten Lettlands (in Lettgallen) verbreitete Variante der Kokle. Dort ist dieser Flügel schlicht und einfach rechteckig, so dass diese Instrumente noch sehr das Brett erahnen lassen, aus dem sie gemacht sind.
Dieser Flügel gibt dem Instrument etwas mehr Resonanzfläche, und nicht selten stützen die Spieler dort ihren linken Unterarm beim Spielen auf.

Ein weiterer Unterschied ist bei manchen Instrumenten im modernen Stil die Aufhängung der Saiten: statt am querliegenden "varras" werden die Saiten einzeln an senkrecht stehende Metallstifte angebracht.

Einzelaufhängung der Saiten bei der modernen Variante der
fünfsaitigen Kantele von Melodia Soitin. Eigenes Foto 2015.

Hier stellt Lovikka eine Ausnahme dar: trotz modern gerundeten Flügels findet sich am andern Ende die klassische "varras"-Aufhängung (wenn auch mit gerader statt gerundeter Aussparung).

Lovikka fünfsaitige Kantele "modern". Eigenes Foto 2015.

Da wir grade über "modern" sprechen: der Korpus des modernen Lovikka-Modells ist übrigens aus dem vollen (Erlen-)Holz gefräst - mit CNC-Unterstützung, soweit ich das beurteilen kann. Damit ist die Herstellung einerseits ganz weit weg von der Tradition - und zugleich wieder nah dran. Denn aus dem vollen Holz, aus einem einzigen Stück, wurden Kantelen schon seit Jahrhunderten geschnitzt.

Text und Fotos: Peter Widenmeyer, 2015

Montag, 2. März 2015

Die liebe Verwandtschaft...

Auch wenn die Kantele immer mal wieder als "finnisches Nationalinstrument" bezeichnet wird, so ist ihre Verbreitung keineswegs auf Finnland beschränkt. Instrumentenkundlich gehört sie ja zu den "griffbrettlosen Kastenzithern". Auf Englisch heißt die entsprechende Kategorie "Baltic psalteries".
Die Kantele ist jedoch weit über Finnland und auch weit über das Baltikum hinaus verbreitet.
Je nach Region weicht die äußere Form, die Anzahl der Saiten, die Art der Verzierung zwar leicht ab - das Prinzip zieht sich jedoch durch.


Tuula und Kari Dahlblom haben im zweiten Kapitel ihres Buches "Keski-Suomen Kantele" (ISBN 978-952-92-9447-3) sowohl das Verbreitungsgebiet als auch die verschiedenen Bezeichnungen zusammengestellt (S. 18).
Schon in Finnland gibt es - wie schon an anderer Stelle erwähnt - neben der Bezeichnung "kantele" auch die Bezeichnung "kannel". In Karelien (das ja teilweise zu Finnland, teilweise zu Russland gehört) findet sich auch die Aussprache "kandeleh" - und die Samen sagen zu dem Instrument "harppu".
"Kannel" sagt man auch in Estland. In Litauen heißt es "kanklès", und in Lettland hört man "kokle", "kuōkle" oder auch "kokles". Dort hat man dem Instrument im Jahr 2013 auch durch eine Sonderprägung der 1-Lats-Münze ein Denkmal gesetzt. Leider ist das insofern Geschichte, als seit 2014 auch in Lettland mit dem Euro bezahlt wird - die Münze hat seitdem den festen rechnerischen Gegenwert von immerhin 1,422872 Euro.

1-Lats-Münze aus Lettland aus dem Jahr 2013.
Die Münze zeigt eine 9-saitige Kokle. Eigenes Foto.

In Russland heißt das entsprechende Instrument "gusli", in Polen "gęśle", in der Ukraine "husli", und in den Gegenden südlich des Ural hört man Begriffe wie "kesle, kjosle, kysle", bei den Tataren "guslja, göslja, keslja", weiter nördlich hört man dann "kärš, kysle, krez". Die Verwandtschaft der Begriffe ist offensichtlich. Ganz im Norden - in dem Gebiet, aus dem, grob gesprochen, die Vorfahren der heutigen Finnen stammen - bezeichnen dann Wörter wie "sangkwyltäp, narkas-jugh, nars-jux" das Instrument.

Das Buch von Kari Dahlblom kann ich übrigens nur wärmstens empfehlen. Es ist zwar auf finnisch geschrieben, ist aber zugleich ein wunderschönes "Bilderbuch" mit vielen Fotos alter Kantelen aus Mittelfinnland. Einfach schmökern und genießen!

Text und Foto: Peter Widenmeyer

Sonntag, 1. März 2015

Zwei Melodien für trübe Tage...

Heute gibt's hier zwei einfache Übungsstücke für fünfsaitige Kantele in D-moll! Einfach die Kantele auf defga stimmen, und schon kann's losgehen. Als Empfehlung gilt auch hier der im Kapitel "Mut zur Improvisation" beschriebene Fingersatz: Der Daumen der rechten Hand übernimmt die a-Saite, der Zeigefinger die d-Saite. Die e-Saite wird vom linken Ringfinger, die f-Saite vom linken Mittelfinger und die g-Saite vom linken Zeigefinger angespielt.

Die beiden Stücke dürfen zum privaten Gebrauch gerne hier heruntergeladen werden. Jede andere Nutzung unterliegt dem Urheberrecht und ist ohne meine Zustimmung nicht erlaubt.

Five String Waltz
Wie der Name schon sagt: ein kleines Stück im 3/4-Takt. Einfach loslegen und mitwippen!


Leider lassen sich PDF-Dateien nicht direkt in den Blog einbinden. Die Noten für das Stück könnt ihr deshalb von meiner Domain www.finnischekantele direkt herunterladen (ca. 40 kB): Klick!

Rainy Day Tune
Und hier was im 4/4-Takt. Ein wenig länger als das vorige, da es ein paar Wiederholungen bzw. Variationen enthält:



Auch hier gibt's das Notenblatt direkt von mir: Klick!

Viel Spaß damit!
Text, Komposition, Notensatz, Videos: Peter Widenmeyer