Samstag, 9. Januar 2016

Gutes aus Karelien

Karelien ist nicht nur das Gebiet, in dem Elias Lönnrot einst die Gesänge sammelte, die er später zur Kalevala zusammenfügte.

Karelien ist auch die ursprüngliche Heimat einiger heute in ganz Finnland gängigen Gerichte. Es handelt sich um einfache, bodenständige und vor allem nahrhafte Speisen. Ein festliches Sonntagsessen ist der karelische Fleischtopf (Karjalanpaisti). Zu den geschmorten Stücken von Rind-, Schweine- und Lammfleisch isst man Salzkartoffeln; dazu werden Salzgurken und Preiselbeeren gereicht.

Karjalanpaisti. Eigenes Foto.


Dagegen sind die karelischen Piroggen ein einfaches Gebäck aus Roggenmehl. Zuhause wird es gerne mit Eiercreme bestrichen. Aber die gebackenen Piroggen konnten sich Bauern und Waldarbeiter auch als Proviant in ihre Taschen stecken. Es gibt die Piroggen mit Reis- und Kartoffelfüllung.

Karjalanpiirakat. Eigenes Foto.

Wer also seine Gäste bei einem finnischen Abend nicht nur musikalisch, sondern auch kulinarisch verwöhnen möchte, für den- oder diejenige ist vielleicht das Rezept für karelische Reispiroggen ganz interessant. Da es für mich selbst anfangs mühselig war, an geeignete Rezepte zu kommen, habe ich hier für alle Kantele-Blog-Leser eine bebilderte Beschreibung zusammengestellt.

Diese Anleitung kann für private Zwecke hier heruntergeladen werden:
Klick! (PDF, ca. 2 MB)


Viel Erfolg und viel Spaß beim Backen!

Karelische Reispirogge mit Eiercreme. Eigenes Foto.

Text und Fotos: Peter Widenmeyer, 2016

Sonntag, 15. November 2015

Standfest spielen...

Es gibt Gelegenheiten, bei denen man seine Kantele vielleicht ganz gern im Stehen spielt - nicht nur, wenn man Rückenprobleme hat.

Die Idee zur folgenden Bastelei verdankt sich zwar nicht der Kantele, sondern meiner Beschäftigung mit dem Taishokoto. Da ich in Kürze bei einem runden Geburtstag ein paar Liedchen spielen werde, suchte ich nach einer Lösung für einen mobilen Spieltisch, der schnell her- und wieder weggeräumt werden kann.

Hier ist das Ergebnis:

Spieltisch für Kantele und andere Zither-Instrumente. K&M-Ständer,
selbstgebaute Box, ausgestattet mit Piezo-Tonabnehmer. Eigenes Foto.

Grundlage ist der Keyboard-Ständer 18953 von K&M. Darauf habe ich eine selbstgebaute Sperrholz-Box gesetzt. Unterhalb der oberen Platte ist ein Schaller Oyster Doppel-Piezo eingebaut. Man kann also einen kleinen Verstärker direkt an den Spieltisch anschließen. Wie gut das in der Praxis funktioniert, konnte ich noch nicht ausprobieren. Vielleicht berichte ich gelegentlich mal von meinen Erfahrungen.

Aber auch ohne Elektrik verstärkt die Box ein wenig und liefert auf jeden Fall eine stabile Spielunterlage. Übrigens nicht nur für die Kantele, sondern auch für ein paar andere Instrumente:

Spieltisch mit Taishokoto...

... Mountain Dulcimer...

... und Raffele.

 Hier noch ein paar Details:

Die Mittelstrebe geht nicht ganz durch, sie stabilisiert nur vorn.
Die obere Leiste verhindert ein Abrutschen des Instruments nach vorn.
Klinkenbuchse und Piezo-Abnehmer sind im Innern installiert. Eigenes Foto.

So sieht die "Auster" von Schaller in der aktuellen Variante aus:

Aktuell wird der Schaller Oyster 722 mit vormontierter Klinkenbuchse
geliefert. Loch bohren, durchstecken, zuschrauben, fertig. Eigenes Foto.


Die zwei Längsleisten an der Unterseite der Box sind so bemessen, dass die Kiste satt im Rahmen sitzt, wenn man sie auf den Ständer legt:

Führungsleisten an der Unterseite der Box.

Den Ständer selbst habe ich auch noch ein wenig "verbessert": K&M liefert für die vier verstellbaren Füße M6er Inbus-Schrauben mit. Will man also die Höhe verstellen, dann muss man immer auch noch den Schlüssel dabei haben und nach IKEA-Manier alle Schrauben raus- und wieder reindrehen. An dieser Stelle habe ich einfach vier K&M-Rändelschrauben montiert: die kann man auch ohne Werkzeug leicht bewegen - und sie halten genauso gut.

Text und Fotos: Peter Widenmeyer, 2015

Freitag, 6. November 2015

Gezupft, nicht geschüttelt...

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Saiten einer Kantele zum Schwingen zu bringen. Die einfachste und ursprünglichste Art ist, einfach mit einem Finger über die Saiten zu streichen. Üblich ist auch heute noch die folgende Spielweise:
Dabei werden die Saiten beim Abstrich vom Fingernagel des Zeigefingers, beim Aufstrich von dessen Fingerkuppe berührt.

Anschlag mit ausgestrecktem Zeigefinger. Eigenes Foto.

Spielt man auf der Kantele Melodien, Einzeltöne oder ein Picking-Muster, dann kommen mehrere Finger zum Einsatz: gezupft wird mit den Fingerkuppen:

Hier kommen alle Finger zum Einsatz: Melodiespiel und Picking. Eigenes Foto.

Will man kräftig in die Tasten hauen, zum Beispiel beim Begleiten von Gesang beim Akkordspiel, dann kann man die Fingerspitzen von Daumen, Zeige- und Mittelfinger locker aufeinander legen. Nicht verkrampfen! Beim Auf- und Abschlag bewegen sich die Fingerspitzen leicht gegeneinander:

Beim Abschlag treffen vor allem Zeige und Mittelfinger auf die Saiten,
beim Aufschlag eher die Daumenspitze. Eigenes Foto.

Will man noch etwas mehr Lautstärke erzeugen oder im Flat-Picking-Stil spielen, dann sollte man ein Plektrum zur Hilfe nehmen. Ich selber nehme gerne die altbewährten dreieckigen Gitarrenplektren. Aber es gibt natürlich auf dem Markt eine Fülle von Plektren für alle möglichen Zwecke und Instrumente:

Unterschiedlichste Plektren aus dem Musikhandel - und
aus der Küchenschublade! Eigenes Foto.

Erläuterung: (1) Typisches Gitarrenplektrum. (2) Dreiseitiges Plektrum von Herdim mit verschieden dicken Spitzen. (3) Taishokoto-Plektren. Das Loch in der Mitte sorgt für guten Halt. (4) Nochmal Taishokoto: auf einer Seite ist ein rundes Lederblättchen angebracht. (5) Plektren für Saz und Oud sind länglich. Kommt ggf. der Spielweise beim Flat-Picking entgegen.
Und schließlich: (6) Zahnstocker bzw. (7) Schaschlik-Spieß, gekürzt. Solche Holzstäbchen werden ebenfalls traditionell beim Kantelespiel verwendet.

Gekürzter Schaschlik-Spieß im Einsatz. Eigenes Foto.

Wer will, kann seine Kantele zwischendurch natürlich auch mit einem Bogen streichen.

Kleinere Bögen (z.B. für Schülergeigen) sind günstig zu bekommen.
Eigenes Bild.

Wem das gefällt, dem empfehle ich auf Dauer allerdings eher die Anschaffung eines Streichpsalters. Denn das erforderliche Kolophonium verharzt sonst vermutlich Decke und Saiten schon nach kurzer Zeit.

Text und Fotos: Peter Widenmeyer, 2015

Samstag, 17. Oktober 2015

Fleißige Biene

Übers Thema "Stimmen" hatte ich neulich schon mal was geschrieben. In früheren Zeiten waren die Stimmwirbel selbstverständlich auch aus Holz geschnitzt: ähnlich wie Geigen- oder Cello-Wirbel, aber zwangsläufig meist gröber ausgeführt. Gelegentlich findet man auch heute noch Kantele-Modelle mit Holzwirbeln. Da bei der Kantele viele dieser Stimmwirbel dicht in Reihe stehen, wird als "Verlängerung" oft noch ein geschlitztes Rundholz verwendet, das auf die platten Enden des Holzwirbels gesteckt wird. Ich warte ja noch auf meine "Kokle" - die wird Holzwirbel haben.

Eine "Biene" (hier: 6,25 * 40 mm). Links das Gewinde, dann das
Bohrloch zur Aufnahme der Saite. Rechts: abgeplattete Seiten. Eigenes Foto.

Üblich geworden sind aber heute sogenannte Zither-Wirbel. Es gibt sie in verschiedenen Größen. Eigentlich kommen diese Wirbel aus dem Klavierbau. Aufgrund der zunehmenden Nachfrage nach Klavieren entschloss sich Wilhelm Wagner im Jahr 1853 dafür, in Plettenberg die bisher handwerklich hergestellten "Stimmnägel" für Klaviere nun schneller, günstiger und präziser industriell herzustellen. Weitere Infos über die Firma Wagner gibt es hier: Klick!

Ob der Name "Biene" für diese Art Stimmwirbel etwas mit dem quergestreiften "Hinterteil", dem Gewinde, zu tun hat, kann ich nur vermuten. Jedenfalls verdanken Wagners Bemühungen auch Generationen von Zitherspielern und eben auch wir Kantele-Spielerinnen und -Spieler eine erhebliche Erleichterung. Auch wenn die Wirbel nicht übersetzt sind, lassen sie sich doch ohne Mühe mit Hilfe eines Stimmschlüssels präzise in die richtige Position drehen.

Wer sich selber eine Kantele baut, sollte bei der Wahl der richtigen Stimmwirbel ein paar Aspekte bedenken:
  • Die richtige Länge
    Die hängt davon ab, wie dick die Materialstärke des Instruments an dieser Stelle ist. 2 cm oder mehr wären schon gut, um den Stimmwirbeln eine gute Führung zu geben. Dafür eignen sich Stimmwirbel mit etwa 40 bis 45 mm Länge.
  • Der richtige Durchmesser
    Stimmwirbel gibt es mit verschiedenen Durchmesser. Das hat gute Gründe: im Lauf der Jahre sorgt der Stimmvorgang dafür, dass die Bohrung im Holz erweitert wird. Dadurch werden die Stimmwirbel immer leichtgängiger - und irgendwann haben sie dem Saitenzug nichts mehr entgegenzusetzen - die Saite verstimmt sich dauernd nach unten. Spätestens dann ist es Zeit, Stimmwirbel mit einem etwas größeren Durchmesser einzusetzten (oder vom Instrumentenbauer einsetzten zu lassen).
    Beim Eigenbau ist zu beachten, dass die Stimmwirbel im Hartholz sitzen. Wird für die Kantele Weichholz wie Fichte verwendet, dann muss die Stelle vorher "ausgebuchst" werden: dazu wird eine ca. 10-12 mm große Bohrung ins Holz gesetzt und ein Rundholz aus Hartholz (z.B. Buche, Ahorn oder eben auch: Buchsbaum) eingeleimt. Wenn der Leim abgebunden hat, wird darin dann das Führungsloch für den Stimmwirbel gebohrt.
    Auch hier ist zu beachten: Man wählt den Bohrer ca. einen halben Millimeter kleiner als den Durchmesser der "Biene": also z.B. einen 4-mm-Bohrer für eine Biene mit 4,5mm Durchmesser). Außerdem ist es so, dass die Stimmwirbel zunächst mit dem Hammer ein Stück weit ins Bohrloch geklopft werden. Erst dann dreht man mit dem Stimmschlüssel noch ein wenig in die richtige Position. 
  • Links- oder rechtsdrehend
    Tatsächlich gibt es beides. Bei handelsüblichen Kantelen werden "rechtsdrehende" Wirbel verwendet. Das bedeutet: dreht man mit dem Uhrzeigersinn, wird die Saite aufgewickelt - die Saitenspannung erhöht sich, der Ton wird höher.
Auch der Stimmschlüssel muss zum Stimmwirbel passen. Es ist etwas verwirrend, den passenden Schlüssel zum entsprechenden Wirbel zu finden. Denn die Stimmwirbel werden nach Durchmesser klassifiziert (z.B. 4,5 oder 6,25 mm etc.).

Bei Stimmwirbeln wird normalerweise die innere Kantenlänge
angegeben. Eigenes Foto.

Die Millimeter-Angaben bei den Stimmschlüsseln beziehen sich dagegen üblicherweise auf die Seitenlänge des quadratischen Innen-Vierkants. Deshalb sind Vierkant-Schlüssel in aller Regel kleiner zu wählen! Bei meinen Kantelen von Melodia Soitin und von Lovikka sind Wirbel mit ca. 4,5 mm Durchmesser verbaut - der dazugehörige Stimmschlüssel hat ca. 4 mm Innen-Kantenlänge. Bei der Koistinen-Kantele ist der Durchmesser etwas größer.

Oben: optimaler Sitz. Unten: Innen-Kantenlänge des Schlüssels
etwas zu kurz; insgesamt noch brauchbare Kombination. Eigenes Foto.

Wenn möglich, sollte man vor dem Kauf ausprobieren, ob der Schlüssel passt. Wichtig ist jedenfalls: der Schlüssel sollte satt auf dem Stimmwirbel sitzen, so dass man präzise stimmen kann.

Text und Fotos: Peter Widenmeyer, 2015

Sonntag, 11. Oktober 2015

Der Vetter aus dem fernen Osten: Taisho Koto

Wer rund ums Thema "Kantele" durchs Internet surft, stößt früher oder später auch auf die Kantele-Szene in Japan. Es gibt eine ganze Reihe von Artikeln, Blog-Einträgen und natürlich Youtube-Videos, die das belegen. Da mein Japanisch noch schlechter ist als mein Finnisch, verweise ich hier z.B. mal auf einen Blog-Beitrag in Englisch:

Kantele in Japan (bei Kantelista)

Woher kommt die Affinität der Japaner zur finnischen Kantele? Instrumente aus der Familie der Zithern haben ja auch im Fernen Osten eine lange Tradition. Auf dem folgenden Bild ist eine Dame zu sehen, die ein 13-saitiges Koto spielt.

Koto-spielende Dame. Zeichnung von Hasegawa Settei (1878).
Bildquelle: Wiki Commons. Public Domain.

Gewisse Ähnlichkeiten zur finnischen Kantele sind durchaus vorhanden - auch wenn das japanische Pendant zu den Wölbbrett-Zithern gehört (die Kantele ist eine griffbrettlose Kastenzither). Beim Koto werden alle Saiten etwa gleich gespannt. Die unterschiedliche Tonhöhe der einzelnen Saiten wird durch die "Gänsefüßchen", das sind einzeln verschiebbare Stege, erzeugt. So kann sogar während des Musizierens die Stimmung nachjustiert oder auch eine andere Tonleiter eingestellt werden.

Nun aber von der Kantele zu dem Instrument, das ich heute hier vorstellen möchte: das Taisho Koto.

Entfernte Verwandtschaft: Taisho Koto aus Japan (oben) und
finnische Kantele (unten). Eigenes Foto.

Zither-Instrumente waren in Japan in vielen Fällen auf die Verwendung am Hof oder im Tempel beschränkt. Sie waren also nicht unbedingt "volkstümliche" Instrumente. Zudem wuchs im 19. Jahrhundert in Japan das Interesse an westlicher Musik (und die Begeisterung für Mechanik, die vielleicht die Grundlage für die heutige sprichwörtliche Begeisterung für die Elektronik in Japan war).
So wurden im späten 19. Jahrhundert zwar "westliche" Instrumente wie Geige und Klavier importiert. Es gab aber keine für jedermann erschwinglichen Instrumente, mit deren Hilfe man in Japan die europäische Musiktradition hätte vermitteln können.
Hier schuf nun Herr Nisaburo Kawaguchi (Künstlername: Goro Morita) Abhilfe. Nach diversen Konzert- und Bildungsreisen nach Europa brachte er im Jahr 1912 das erste "Taisho Koto" (大正琴) auf den Markt. "Koto" in Anlehnung an das oben erwähnte traditionelle japanische Instrument, und "Taisho", da nur wenige Wochen zuvor ein neuer Kaiser den japanischen Thron bestiegen hat. Nach seinem Kaiser-Namen "Taisho" ist die gesamte Ära der folgenden Jahre benannt.
Man weiß nicht sicher, ob Goro Morita auf seinen Reisen nach Europe und in die USA tatsächlich Instrumente wie Hummel oder Mountain Dulcimer kennen gelernt hat (wenngleich - neben anderem - die Bordun-Saiten durchaus daran erinnern). Aber dass er sich bei der "Tastatur" des Instruments von den mechanischen Schreibmaschinen jener Zeit inspirieren ließ, ist unumstritten. Das Taisho Koto verfügt über ein schmales, bundiertes Griffbrett. Die Saiten werden aber nicht mit den Fingern abgegriffen, sondern indem sich beim Niederdrücken der entsprechenden Taste der metallene Hebel auf die Melodiesaiten legt. Darüberhinaus verfügt das Taisho Koto - je nach Bauart - über eine oder mehrere Bordunsaiten. Diese werden von den Hebeln im wahrsten Sinn des Wortes nicht tangiert. Bei manchen modernen Instrumenten verzichtet man ganz auf die Bordun-Saiten und verwendet das Taisho Koto als reines Melodie-Instrument.

Hier sieht man Sattel und "Schreibmaschinen"-Mechanik des Taisho Koto.
Dieses Modell (Kawai KT-35) hat rechteckige Tasten. Eigenes Foto.

Hier der typische Steg: rechts die Melodiesaiten (hier: vier), die über das
Griffbrett laufen, links die tiefer liegenden Bordun-Saiten. Eigenes Foto.

Insgesamt sind die spielerischen Möglichkeiten des Taisho Koto begrenzt. Es ist für mich sozusagen die Melodica unter den Saiteninstrumenten. Andererseits ermöglicht es einen niederschwelligen Zugang zur Musik - auch älteren Menschen oder solchen, die keine Möglichkeit haben, ein komplexeres Musikinstrument zu erlernen. In Japan wird es deshalb oft - auch im mehrstimmigen - Ensemble oder mit Playback gespielt. Laut und durchsetzungsfähig ist das Instrument jedenfalls. Ich habe hier mal ein europäisches Stück in Moll auf dem Taisho Koto eingespielt:


Weitere Informationen gibt es hier...
... auf Wilfried Ulrichs Hummel-Seite
... auf der Homepage des "Lyrist"-Projektes
... und auf meiner eigenen Taishokoto-Seite: www.taishokoto.de

Text, Fotos und Video: Peter Widenmeyer, 2015
Bildquelle Zeichnung Koto-spielende Frau: Wiki Commons. Gemeinfrei.

Samstag, 3. Oktober 2015

Jetzt kommt Stimmung in die Bude!

Die Kantele sauber durchzustimmen ist auch für mich - mit über 40 Jahren Erfahrung mit Saiteninstrumenten - immer noch eine kleine Herausforderung. Einer der Gründe dafür ist, dass bei der Kantele üblicherweise sogenannte Zitherwirbel verbaut werden - und die sind, anders als bei Gitarre & Co. - nicht übersetzt. Das bedeutet: jeder halbe Millimeter Drehung wirkt sich unmittelbar auf die Stimmung aus. Worauf man achten kann, möchte ich in diesem Blog-Beitrag einmal genauer beschreiben.

Das Werkzeug
Zur Stimmung der Kantele braucht man natürlich einen Stimmschlüssel. Neuen Instrumenten liegt meistens einer bei. Grundsätzlich unterscheidet man die kürzeren T-Schlüssel. Wer lieber mit einem etwas längeren Hebel arbeitet, wählt einen sogenannten L-Schlüssel. Wichtig ist aber, dass die Stärke der Stimmwirbel mit dem Innen-Vierkant des Stimmschlüssels zusammenpasst.

Unten: T-Schlüssel. Oben: L-Schlüssel. Eigenes Foto.

Außerdem braucht man natürlich eine Referenz für den richtigen Ton. Früher musste man einfach nur den Telefonhörer abheben, um einen lupenreinen Kammerton "A" (440 Hz) zu erhalten. Heute haut das nach meiner Erfahrung nicht mehr immer hin. Wer ein gutes Gehör hat, kann sich an einer handelsüblichen Stimmgabel oder Stimmpfeife orientieren und das Instrument dann nach Gehör durchstimmen. Ansonsten bieten sich auch Instrumente wie Mundharmonika, Melodica oder Klavier an, wenn man weiß, wo die entsprechenden Töne liegen. Am einfachsten geht's natürlich immer noch mit einem elektronischen Stimmgerät. Die kosten nicht viel und die meisten lassen sich per Clip irgendwo ans Instrument heften. Allerdings sollte man bedenken: elektronische Stimmgeräte liefern zwar immer eine mathematisch genaue Stimmung. Das passt gut für chromatische und bundierte Instrumente. Diatonische Tonleitern (und die Kantele ist ein diatonisches Instrument) folgen aber nicht zu hundert Prozent der mathematischen Teilung. Das kann ich hier nicht ausführen - ich sage nur: schult auch euer Gehör, und kommt nicht gleich in Panik wegen ein paar Cent Abweichung auf dem Stimmgerät!

Den richtigen Ton holt man sich von anderen Instrumenten oder mit einem
geeigneten elektronischen Stimmgerät. Nicht im Bild: Stimmpfeife. Eigenes Foto.

Der richtige Dreh
Die wichtigste Regel: man stimmt immer von tief nach hoch. Denn auf diese Weise setzt man der vorhandenen Saitenspannung (die den Wirbel ja sozusagen "zu sich her" und damit "nach unten" ziehen will) die entgegengesetzte Richtung entgegen.
Das bedeutet: hat man die Saite etwas zu hoch gestimmt, dann dreht man sie wieder leicht unter den gewünschten Ton und nähert sich dann wieder "von unten her" auf den richtigen Ton hin.
Dazu sollte man sich bewusst machen, wie sich die jeweilige Drehrichtung auf die Stimmung auswirkt. Das folgende Bild zeigt dies aus Sicht des Spielers (das heißt bei den kleinen Kantelen: kurze Saite zum Spieler, lange Saite entfernt vom Spieler).

Drehung im Uhrzeigersinn erhöht den Ton, Drehung gegen den Uhrzeigersinn
verringert die Saitenspannung und der Ton wird tiefer. Eigenes Foto.

Eine weitere Schwierigkeit: immer, wenn man den Stimmschlüssel ansetzt und dreht, übt man auch leichten Druck auf ihn aus. Man drückt ihn beim Hochstimmen automatisch leicht von sich weg. Dadurch erhöht sich die Saitenstimmung (nach meiner Erfahrung) leicht nach oben. Es macht deshalb Sinn, beim Überprüfen der Stimmung immer mal wieder den Stimmschlüssel loszulassen (dabei aber auf dem Stimmwirbel sitzen zu lassen) und dann zu schauen, was das Stimmgerät anzeigt. Daran sollte man sich orientieren.

Stimmschlüssel immer mal wieder loslassen, um den Stimmwirbel zu entlasten
und dann Saitenstimmung überprüfen. Eigenes Foto.

Ebenfalls ein häufiger Fehler: manchmal verwechselt man die Saite, die man stimmt und die Saite, die man anschlägt. Wenn man also dreht und es tut sich nichts: sofort aufhören! Dreht man nämlich immer weiter, kann die Saite reißen! Auch deshalb empfiehlt es sich, die Saite erstmal leicht nach unten zu stimmen und dabei eben zu überprüfen, ob man auch am richtigen Stimmwirbel dreht!

Immer überprüfen, ob man tatsächlich auch die Saite anspielt,
an deren Stimmwirbel man dreht! Eigenes Foto.

Check-Out
Und nun: mit diesen Spielregeln im Kopf einfach mal durchstimmen - solange, bis das Stimmgerät "grünes Licht" gibt.

So sollte es aussehen. Eigenes Foto.

Wichtig ist noch: viele elektronische Stimmgeräte haben verschiedene Modi für spezielle Instrumente, zum Beispiel Abweichungen vom Kammerton oder einen speziellen Modus für ganz bestimmte Instrumente! Bitte einfach mal die Bedienungsanleitung des Geräts lesen!
Hier auf dem Foto wurde die richtige Stimmung gewählt: bei diesem Gerät steht "C" für "Chromatisch", also die ganz reguläre Tonhöhen-Erkennung.

Wichtig ist auch: bei 10-, 11-, 15- oder mehr-saitigen Instrumenten sollten auch die Oktaven sauber stimmen, sonst klingt es irgendwie schief. Wer sein Gehör ein bisschen schult, hört nach einiger Zeit, ob es passt. Wer die Oberton-Technik (Flageolett) beherrscht, kann einige Saiten auch mit dieser Technik sehr genau überprüfen. So sollte die Tonhöhe z.B. der tiefen A-Saite, im Flageolett gegriffen, genau mit der hohen A-Saite übereinstimmen.

Die Oktavreinheit sollte am Ende nochmal überprüft und gegebenenfalls
nachgestimmt werden. Eigenes Foto.

Zum Glück bleibt die Kantele dann in sich relativ stimmstabil, selbst wenn die Stimmung insgesamt im Lauf von Wochen sich leicht absenken kann. So lange man nicht mit anderen Instrumenten zusammen spielt, muss man also nicht immer gleich wieder nachstimmen.

Mit diesen Tipps im Hinterkopf sollte eigentlich nichts mehr schiefgehen. Viel Erfolg!

Text und Bilder: Peter Widenmeyer, 2015

Samstag, 26. September 2015

Modellvergleich Koistinen Wing 5 - Lovikka Modern 5

Neulich wurde ich nach dem Unterschied zwischen den "modernen" Modellen von Koistinen und Lovikka gefragt. Da ich davon jeweils nur die fünfsaitigen Versionen habe, möchte ich die Unterschiede an diesen beiden Instrumenten zeigen. Das meiste gilt aber sinngemäß auch für die 11-saitigen Modelle der beiden Hersteller.

Vorweg ist zu sagen: beide Instrumente sind hervorragend verarbeitet. Bei beiden Instrumenten ist der Korpus aus dem massiven Holz herausgefräst (vermutlich CNC-gesteuert). Dadurch gibt es wahrscheinlich auch kaum Qualitätsschwankungen innerhalb der Bauserien. Mit beiden Instrumenten fährt man gut, und ich kann auch keine großen klanglichen Unterschiede feststellen.

Die Frage "Koistinen oder Lovikka?" ist also letztlich eine Frage der persönlichen Vorlieben. Ich möchte hier vier Aspekte hervorheben:

1. Instrumentenform

Draufsicht Koistinen Wing 5 (oben) und Lovikka Modern 5 (unten).
Eigenes Foto.

Das Foto macht die typische Form beider Modelle deutlich: bei Koistinen eine sehr großflächige Decke, komplett abgerundet. Das Koistinen-Modell ist schmaler und hat dort, wo die tiefen Saiten auslaufen, die typische Einbuchtung. Außerdem ist die Kante des Instruments an dieser Seite noch einmal abgefast.
Man sieht hier auch eine Besonderheit des Koistinen-Modells, die mich persönlich ein wenig stört: das Deckenholz ist Erle, die geschwungene Auflage für die rechte Hand dagegen aus dem deutlich helleren Ahorn-Holz. Das sieht bei Natur-Lackierung für mich etwas seltsam aus - bei einem farbig lackierten Modell spielt es freilich keine Rolle.

2. Halbtonhebel

Halbtonhebel bei Koistinen (oben) und
Lovikka (unten). Eigenes Foto.

Bei beiden Herstellern sind die Halbtonhebel ein kostenpflichtiges Extra. Bei Koistinen kostet jeder Hebel derzeit 50,-- Euro Aufpreis, bei Lovikka werden pro Hebel 45,-- Euro fällig. Üblich und sinnvoll ist bei den fünfsaitigen Modellen jeweils ein Hebel an der mittleren Saite, um schnell von f nach f# umschalten zu können. Bei den 11-saitigen Modellen empfehlen sich 5 Hebel. Einzelheiten zu den damit erzielbaren Stimmungen gibt's direkt im vorigen Beitrag dieses Blogs.
Auch wenn der Hebel bei Koistinen schön geschwungen ist, gefällt mir persönlich die Lösung von Lovikka besser. Bei Koistinen stört mich, dass an der Stelle, wo die Saite am Hebel entlangläuft, Kunststoff verwendet wird. Sicher möchte man damit einem Abreißen der Saite an dieser Stelle entgegensteuern - aber für mich sieht das auch wie ein Verschleißteil aus. Meine Befürchtung ist, dass sich die Saite im Lauf der Zeit in den Kunststoff "hineinfrisst" und irgenwann eine Reparatur erfordert. Außerdem missfällt mir bei Koistinen, dass die Schraubhülse des Hebels messingfarben ist (im Unterschied zu den chromfarbenen Stimmwirbeln und dem eigentlichen Halbtonhebel) - und dass mehrere Schrauben-Windungen aus dem Holz ragen. Das sieht für mich bei Lovikaa einfach alles solider und "stimmiger" aus.
Beide Systeme funktionieren aber gleich gut und verändern die Saite je nach Hebelstellung ziemlich exakt um einen halben Ton nach oben bzw. nach unten.

3. Saitenführung

Saitenführung auf der Stimmwirbelseite bei Koistinen (oben)
und bei Lovikka (unten). Eigenes Foto.

Im Zusammenhang mit den Halbton-Hebeln ist ein weiteres Detail zu beachten. Bei Lovikka sind die Saiten, an denen sich kein Stimmhebel befindet, in traditioneller Weise direkt vom Stimmwirbel weggeführt. Dort, wo sich ein Hebel befindet, ist allerdings ein zusätzlicher Führungsstift erforderlich (siehe untere Hälfte des obenstehenden Fotos). Dadurch liegt diese Saite sozusagen an drei Stellen an, die Saiten ohne Hebel aber nur an einer. Das verändert die Saitendruck-Verhältnisse etwas - und auch ganz leicht den Klang. Außerdem verschiebt es auf dieser Saite auch leicht die Oberton-Positionen, das hatte ich an dieser Stelle schon einmal beschrieben (erstes Foto im dortigen Post). Deshalb macht es Koistinen so, dass sie grundsätzlich vor jeden Stimmwirbel einen zusätzlichen Stift setzen - selbst bei Kantelen, auf denen überhaupt keine Halbton-Hebel installiert sind (siehe obere Hälfte des obenstehenden Fotos). So fällt keine Saite klanglich aus der Reihe, und auch die Obertonposition bleibt schön regelmäßig.

4. Saitenhalterung

Saitenhalterung bei Koistinen (oben) und
Lovikka (unten). Eigenes Foto.

Schließlich noch ein Unterschied: Lovikka hat sich auch bei seinen "modernen" Modellen für eine eher traditionelle Lösung entschieden, was die Aufhängung der Saiten betrifft. Bei Lovikka ist dieses Teil im Wesentlichen wie ein klassischer "Ponsi" gestaltet - lediglich ein wenig eckiger. Beim 11-saitigen Modell befindet sich etwas außerhalb der Mitte noch einen weiteren hölzernen Steg. Auf der Bassseite sind sechs Saiten aufgehängt, auf der Diskantseite nur fünf.
Koistinen hängt alle Saiten jeweils an Einzelstiften auf (so, wie es auch andere Hersteller tun).
Klanglich nimmt sich das nichts, es ist vor allem eine Frage der Optik.

Wer sich für die Modelle von Lovikka oder Koistinen interessiert, hat also die Qual der Wahl. Beide Instrumente sind von der Verarbeitung her vergleichbar. Unterm Strich sind die Modelle von Koistinen etwas teurer als die Modelle von Lovikka.

Wer vor allem wegen der Halbton-Hebel zu den beiden Marken tendiert, dem empfehle ich jedoch, über folgende Alternative nachzudenken: eine 11-saitige Lovikka mit fünf Stimmhebeln kostet derzeit 505,-- Euro, eine Koistinen mit dieser Ausstattung sogar 685,-- Euro; jeweils zuzüglich Porto und Versandkosten. Die Hebel sind praktisch, wenn man etwa auf der Bühne schnell zwischen Dur und Moll umstimmen muss. Wo das nicht erforderlich ist, sollte man überlegen, ob man statt des teuren Hebelsystems nicht lieber zwei Kantelen ohne Hebelsystem anschafft. So habe ich mich letztlich entschieden: eine meiner zehnsaitigen Kantelen von Melodia Soitin ist in Dur, die andere in Moll gestimmt. Ich wechsle einfach das Instrument. Und sollte mal Besuch kommen und mit mir zusammen Kantele spielen wollen, dann habe ich stets zwei Instrumente zur Verfügung. Und günstiger ist diese Lösung auch noch: eine 10- oder 11-saitige Kantele von Melodia Soitin kostet derzeit 215,-- Euro zuzüglich Porto.

Text und Fotos: Peter Widenmeyer, 2015