Sonntag, 14. Juni 2015

Offen für alles...

Bei den kleinen Kantelen gibt es traditionell zwei Bauweisen, was den Korpus angeht: offen oder geschlossen. Man sieht es den Instrumenten auf den ersten Blick an: Kantelen mit geschlossenem Korpus haben auf der Decke ein Schallloch - Kantelen mit offenem Korpus dagegen nicht (wenngleich gelegentlich zur Verzierung kleine Durchbrüche zur Verzierung gebohrt oder gesägt werden).

Von links nach rechts: Decke Melodia Soitin, Decke Lovikka.
Unterseite Melodia Soitin, Unterseite Lovikka.


Beide Korpusformen haben eine lange Tradition. Dazu muss man bedenken, dass Kantelen üblicherweise aus einem einzigen Stück Holz geschnitzt wurden. Geschnitzt wurde in den langen Wintern sowieso: Löffel, Teller, Schüsseln und Tröge. Und so wurden auch die Kantelen im Prinzip wie ein kleiner Trog ausgehöhlt.

Dabei erfordert die Variante mit offenem Koprus ein paar Arbeitsschritte weniger: hier besteht der Korpus aus einem Stück - selbst der Ponsi (die Saitenhalterung) kann aus dem vollen Stück herausgearbeitet sein. Die Saitenschwingung wird hier nur durch die Decke verstärkt, die deshalb auch nicht allzu dick ausfallen darf.

Von unten her ausgehöhlter Korpus.
 
Für die Variante mit geschlossenem Korpus ist etwas mehr Aufwand erforderlich: nach dem Aushöhlen des Korpus (üblicherweise von oben her) wird eine Decke aufgeleimt. Nun muss aber das separat geschnitzte Ponsi-Stück separat aufgeleimt und befestigt werden.

Von oben her ausgehöhlter Korpus mit Decke.

Bei dieser Bauweise kann der Trog etwas größer ausgehöhlt werden, da man den schrägen Linienverläufen folgen kann. Der Ton wird hier von der Decke verstärkt und zusätzlich vom Boden her reflektiert.

Welche Gründe es für die Instrumentenbauer früherer Jahrhunderte (und das waren ja in aller Regel Bauern) gab, sich für die eine oder andere Variante zu entscheiden, ist schwer zu sagen. Ob es tatsächlich Unterschiede in Lautstärke oder Klang gibt. Es stellt sich die Frage, ob hier aber nicht Holzart und -dicke, Wahl der Saiten usw. sich nicht stärker auswirken. Ein Instrument mit geschlossenem Korpus kommt der Spielweise auf dem Schoß entgegen, da auf jeden Fall ein Hohlraum bleibt, auch wenn man das Instrument an sich drückt.

Auf einem Tisch gespielt, gilt jedoch für beide Instrumente: der eigentlich Resonator ist die Tischplatte!

Die ausgehöhlte Variante hat aus heutiger Sicht noch einen kleinen Vorteil: ein kleiner Beutel mit Zubehör lässt sich problemlos im Korpus verstauen, auch wenn nur eine eng geschnittene Instrumententasche zur Verfügung steht. Ein hübscher Nebeneffekt!

Stimmschlüssel und Ersatzsaiten immer dabei!

Fotos, Grafiken und Text: Peter Widenmeyer, 2015

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