Sonntag, 25. Januar 2015

Adlerauge, sei wachsam...

Die kleinen, traditionellen Kantelen begeistern mich vor allem deshalb, weil nichts an ihnen zufällig ist und weil sie mit einer ganz natürlichen, reduzierten Ästhetik daherkommen.

Oft ist die einzige "Verzierung" das kleine, hakenförmig herausgearbeitete obere Ende des Instruments, in dessen Zentrum oft ein kleines Loch gebohrt ist. Die fünfsaitige Lovikka-Kantele ist unter den zeitgenössischen Serieninstrumenten ein schönes Beispiel dafür:

Fünfsaitige Kantele von Lovikka, traditionelle Form mit "Adlerkopf".

In dieser Gestaltung sehe ich zweierlei. Einerseits macht dieses kleine Gestaltungsinstrument in meiner Fantasie das ganze Instrument für mich zu einem (sitzenden) Raubvogel: ich erahne die Wälder und Seen Finnlands mit ihrer einzigartigen Natur. Zudem kommt der Adler ja auch an einigen Stellen im Kalevala vor: er rettet Väinämöinen und trägt ihn nach Pohjola. Und später nimmt Louhi Adlergestalt an, als es darum geht, den gestohlenen Sampo zurückzuerobern.
Andererseits hat dieses "Loch" eine ganz praktische Funktion: man kann eine Schnur hindurchziehen und zu einer Schlaufe zusammenknoten. Wenn ich an die kleinen, aus Holz erbauten Bauernhäuser Finnlands mit ihrer kärglichen Einrichtung denke, dann stelle ich mir vor, dass der beste Platz zur sicheren Aufbewahrung des Instruments an der Stubenwand war. Nagel einklopfen, Instrument dranhängen, fertig!

Ebenso ästhetisch wie praktisch: ein Loch an der richtigen Stelle!

Text, Foto und Grafik: Peter Widenmeyer, 2015

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